Regeln für Selbsthilfe-Gesprächskreise

A. Präambel: Ziele & Rollen & Ich-Botschaften

1. Unsere Gruppenziele

  • der Lernerfolg des Einzelnen
  • die Entwicklung der Gruppe
  • dass wir alle lernen, uns besser mit unseren Problemen zu öffnen und sie anzugehen, weil wir verstehen, dass in dem Öffnen und in zunehmender Selbstehrlichkeit gute Möglichkeiten bestehen, unsere Probleme zu verbessern bzw. zu lösen
  • der gegenseitige Austausch über problematische Lebenssituationen und die wechselseitige Motivation

 

2. Rollen

Es gibt im Wesentlichen drei Rollen, die wir alle wechselseitig einnehmen (können): Entweder ist man der „Themensteller“ oder der „Zuhörer“ oder der „Spiegel“.

  • Der Themensteller nutzt die Gelegenheit, der Gruppe von einer z.B. problematischen Lebenssituation (z.B. innerhalb seines Job, oder seiner Familie etc.) zu berichten. Und er kann die anderen Gruppenmitglieder um deren Meinung bitten. Der Moderator nimmt die Rolle als Themensteller nicht ein.
  • Die Zuhörer hören zu, solange andere Teilnehmer sprechen. Zuhören bedeutet nicht nur Hinhören. Zuhören bedeutet, dass wir uns ernsthaft darum bemühen, uns in die Problematik des Themenstellers – mit Empathie und Nachsichtigkeit – einzufühlen, was auch eine gute Übung für das „echte Leben“ ist. Wir nehmen dabei das Thema des Themenstellers in jedem Fall ernst! Auch dann, wenn es uns selbst vielleicht gar nicht so problematisch vorkommt. Denn wir wissen, dass jeder Mensch anders ist, eine andere Biografie mitbringt und andere spezifische Probleme hat. Und wir alle wissen, dass sich ein Problem für denjenigen, der es selbst hat, nun einmal ganz außerordentlich unangenehm anfühlen kann…
  • Danach können die anderen Teilnehmer als Spiegel dem Themensteller ihre subjektiven / persönlichen Wahrnehmungen darstellen.
  • Allerdings entscheidet der Themensteller zuvor, ob er die Spiegel in Anspruch nehmen möchte, oder nicht. Oft können schwierige Gefühle auch besser verarbeitet werden, wenn sie einfach nur einmal ausgesprochen sind.

Sonderrolle des Moderators (Stephan Brückner): Liebe Teilnehmer. Ich organisiere und moderiere die Gruppen, damit sich die Gruppe besser ihren Kernthemen widmen kann. Gleichzeitig möchte ich aber gruppendynamische Prozesse nicht unterbinden, weil sie so wichtig sind. Es ist wichtig, dass die Gruppe demokratisch selbst über ihre Entwicklung entscheidet. Ich distanziere mich daher bewusst von Leitungs- oder Aufsichtsaufgaben. Ich bin ein Teilnehmer der Gruppe, agiere nur nicht selbst als Themensteller. Auch mache ich ggf. Vorschläge zu gewissen Gruppenübungen. Ich würde im Zweifel auch auf die Einhaltung der Regeln achten, aber nicht unbedingt mehr, als alle anderen Gruppenmitglieder das auch tun sollten. Alle Gruppenmitglieder achten selbst auf die Einhaltung der Grenzen und unterstützen sich darin auch selbst gegenseitig.

 

3. Respektvoller Umgang & Ich-Botschaften

Wir verwenden eine besondere Kommunikationsmethode, nämlich die sog. „Ich-Botschaften“! Das bedeutet:

  • Wir formulieren lediglich unsere eigenen Ansichten und keine Werturteile.
  • Alles Gesagte entspringt lediglich der persönlichen, subjektiven Ansicht der Teilnehmer.
  • Niemand beansprucht, objektiv recht zu haben.
  • Formulierungen wie „Du musst / Du bist …“ sind demzufolge Tabu.

 

Jedem Teilnehmer ist Folgendes bewusst:

  • Mir als Themensteller können die Reflektionen der Spiegel interessante Impulse für mein Leben geben.
  • Ich weiß, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass – gerade wenn mehrere Spiegel mir ähnliche Reflektionen geben – hierin für mich hilfreiche Anregungen liegen können.
  • Ich weiß auch, dass es umso mehr Sinn macht, meinen eigenen Widerstand genauer zu überprüfen– je mehr sich in mir innerlich etwas gegen die Reflektionen wehrt.
  • Ich weiß, dass eine Reflektion eines Spiegels letztlich nur eine subjektive Sichtweise des Spiegels ist!!!
  • Ich muss Reflektionen nicht annehmen. Und Ich muss letztlich immer selbst darüber entscheiden, was ich aus den Reflektionen für mich mache. Ebenso gehen die anderen Teilnehmer mit meinen Reflektionen um.

 

Beispiele:

  • Als Spiegel sind wir respektvoll
  • Wir sprechen keine Sätze aus, die wie allgemeingültige Gesetze klingen!
  • Die Spiegel sagen also z.B. nicht „Was Du da sagst, ist aber übertrieben!“
  • sondern wir formulieren sorgfältig, dass es sich dabei nur um unsere ur-eigene, eben unsere ganz persönliche, … um unsere lediglich subjektive Wahrnehmung handelt …
  • Wir sagen also z.B. „Was Du da sagst, kommt bei mir so an, als ob….“, Was Du da sagst, macht bei mir den Eindruck, als würdest Du…“ usw.
  • Gleichzeitig ist uns, wenn wir Themensteller sind, ebenso klar, dass die besonderen Wirkungsmöglichkeiten einer SHG darin liegen, dass andere ihre „Reflektionen“ äußern. Letzteres bedeutet, dass jemand seine ganz persönlichen Wahrnehmungen über unsere Haltung schildert und ggf. einen Tipp hat, wie wir mit einer Situation ja vielleicht besser umgehen könnten.

 


 

B. Allgemeine Verhaltensregeln

 

  • Selbstbetroffenheit: Jede/r geht in erster Linie um seiner selbst willen in die Gruppe, nicht um anderen zu helfen.
  • Freiwilligkeit: Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe ist ein freiwilliger, eigenverantwortlicher Entschluss. Niemand sollte jemand anders zum Gefallen oder aus einem Pflichtgefühl an einer Gruppe teilnehmen.
  • Verbindlichkeit: Die Teilnahme an einer Gruppe sollte dennoch für alle Gruppenmitglieder verbindlich sein. Ist ein Teilnehmer verhindert, sollte er den Moderator darüber informieren. So braucht die Gruppe nicht über die Gründe des Fernbleibens zu spekulieren und kann sich ungehindert auf ihre Arbeit konzentrieren.
  • Verschwiegenheit: Alles, was in der Gruppe besprochen wird, muss in der Gruppe bleiben.
  • Freundliches Klima: Wir alle nutzen die SHG, weil uns klar ist, dass sie uns in vielfacher Weise hilfreich sein kann und dass sie davon lebt, dass wir uns wechselseitig austauschen können. Wir schaffen ein Klima, in dem wir uns alle wohlfühlen können. Wir geben uns gegenseitig einen „geschützten Raum“! Wir sind uns einander zugewandt. D.h. Wir gehen freundlich miteinander um, unterbrechen uns nicht und wir kritisieren uns nicht. Und dennoch wird es natürlich so sein, wie im normalen Leben, dass einem nicht jeder gleich sympathisch ist. Das wiederum stellt kein Problem dar, sondern im Gegenteil können wir uns auch dadurch für das normale Leben sozusagen „üben“!
  • Raum verlassen: Jeder hat die Wahl, den Raum zu verlassen, wenn es ihm zu anstrengend wird und kann aber auch nach nur kurzer Zeit zurückkehren. Wenn jemand nicht mehr zuhören kann, sich durch irgendetwas verunsichert oder verletzt fühlt (wie bspw. durch das Gespräch, das Verhalten oder Gestiken oder Mimiken anderer Teilnehmer) oder wenn Wut oder Traurigkeit hochkommen, kann man eine „Störung“ anmelden oder den Raum verlassen, um vielleicht mal tief Luft zu holen.
  • Geben und Nehmen: Wir sind alle bereit, uns einzubringen. Sowohl mit eigenen Themen, als auch mit Reflektionen. Andererseits wird Rücksicht darauf genommen, dass manche Teilnehmer dazu ggf auch eine längere Anlaufzeit benötigen, als andere…
  • Auf den eigenen Körper achten: Der Körper hilft Gefühle wahrzunehmen. Achten Sie auf die Körpersignale (z. B.. Herzklopfen, Stein im Magen, Unruhe u. ä.)
  • Konfliktlösungen: Sollte es Gruppenungleichgewichte geben, so werden diese offen diskutiert und nicht hinter dem Rücken anderer. Damit geben wir uns die Chance, Konflikte mittels sachlicher Kommunikation und im Verbund der gesamten Gruppe zu lösen. Auch das ist eine gute Übung für das reale Leben:)
  • Selbstbestimmung: Die Selbsthilfegruppe bestimmt ihre Ziele und Arbeitsweisen. Der Moderator übernimmt bewusst keine Leitungsfunktion. Er bringt ggf. gerne eigene Ideen ein, so wie das auch alle Teilnehmer tun dürfen, aber er gibt kein Programm vor oder dergleichen.
  • Rauchen, Essen und Trinken: Während einer Gruppensitzung sollte weder geraucht noch gegessen werden, da dies die Disziplin und die Konzentrationsfähigkeit mindert.
  • Verlassen der Gruppe: In der Regel kann man erst nach einem längeren Erfahrungszeitraum beurteilen, ob die Gruppe eine Bereicherung ist oder nicht. Eine Entscheidung gegen eine weitere Teilnahme sollte in der Gruppe persönlich mitgeteilt und nicht über ein anderes Gruppenmitglied ausgerichtet werden. Diese Vorgehensweise entlastet die Gruppe von Spekulationen über den Austritt und hilft eventuelle Missverständnisse zu klären. Die Entscheidung eines Gruppenmitgliedes, nicht mehr teilnehmen zu wollen, sollte von allen akzeptiert werden. Niemand soll zur Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe überredet werden.

 


 

 

C. Kommunikationsregeln

 

  • Reden und zuhören: Es kann in einer Gruppe nur einer/eine sprechen. In der Gruppe darauf achten, dass es keine Seitengespräch gibt und dass individuelle Beiträge nicht unterbrochen werden.
  • Von sich selbst sprechen. Nicht von „man“ oder „wir“ sprechen, sondern von „ich“.
  • Stehenlassen: Erfahrungen und Gefühle können auch mal gut stehen gelassen. Gefühle verschwinden nicht, indem sie beruhigt oder verurteilt werden. Angenommen, ausgesprochen und bearbeitet, sind schwierige Gefühle oft besser zu ertragen. Der Themensteller entscheidet, ob er Reflektionen möchte. Empfindungen als solche sind nicht Diskussionsgrundlage und werden ernst genommen. Nicht trösten, nicht urteilen, nicht versuchen alles besser zu wissen.
  • Miteinander nicht übereinander: Jemanden direkt ansprechen, wenn Fragen, Kommentare, Rückmeldungen gegeben werden. Grundsätzlich nie über abwesende Gruppenmitglieder reden.
  • Warum-Fragen vermeiden: Verständnisfragen stellen oder unterstützende Fragen, z. B. wie hast Du Dich dabei gefühlt?
  • Selbstverantwortung: Jede und jeder in der Gruppe ist dafür verantwortlich, was sie/er in der Gruppe tut und sagt. Achtung und Respekt vor sich selbst und vor den anderen, sind Grundwerte jeden Gruppengesprächs. D. h. ich respektiere meine eigenen und die Grenzen und Möglichkeiten der anderen GruppenteilnehmerInnen.
  • Gegenseitige Wertschätzung: Das bedeutet einander akzeptieren und würdigen mit den individuellen Stärken und Schwächen. Die Begegnung in der Gruppe gelingt mit einer freundlichen Haltung sich selbst und den anderen gegenüber besser. Nicht vergessen: das positive Feedback an die GruppenteilnehmerInnen

 

 

 

 

 

 

 

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